Online-Abschluss


Fromme-NL, 05.03.2018

Seit ein paar Tagen ist die nationale Umsetzung der IDD-Richtlinie in Kraft (Bundesgesetzblatt 2017 I, S. 2789 ff.). In schwer verdaulicher Sprache (das ist wohl unvermeidlich) werden erneut höchste Anforderungen an den Versicherungsvertrieb gestellt. Dabei greifen manche Vorschriften auch tief in die Vertragsgestaltung und den Vertragsabschluss ein, wobei namentlich der Online-Abschluss, der ja an sich alles vereinfachen soll, vor zusätzliche Aufgaben gestellt wird Wegen der Fülle der sich bietenden Probleme – Wer muss wem was übermitteln? Und wann: vor Abgabe der Vertragserklärung, vor Vertragsschluss oder auch noch einmal eine Woche danach? In welcher Form: Papier, Schriftform, Textform? – sollen heute hier nur die vorvertragliche Information des Antragstellers und dessen Beratung erörtert werden (§§ 6,7 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) a.F.).

Vorab stellt sich die Frage, was eigentlich Online-Abschlüsse überhaupt sind. Ist das auf die Situation beschränkt, in der ein Kunde im Internet einen Vertrag abschließen will? Oder gelten die neuen Vorschriften auch für Vergleichsportale, Mobile-Commerce, Versicherungs-Apps und für die Computerdame Alexa? Hier kann es – je nach Ausgestaltung der benutzten Software – durchaus Unterschiede geben. Allgemein gilt zunächst § 6 a VVG. Nach dessen Abs. 1 Nr. 2 muss der vom Versicherer erteilte Rat „in klarer, genauer und für den Versicherungsnehmer verständlichen Weise“ abgefasst sein. Da jeder Versicherungsnehmer ein höchst individuelles Wesen ist, sodass sich eine Verallgemeinerung verbietet (es gibt den Versicherungsnehmer nämlich nicht, allenfalls den durchschnittlichen), ist es schwierig zu analysieren, auf wessen kognitives Potenzial es hier ankommen soll. Aber das ist nichts Neues.

Dann eine erste Überraschung: § 6 a Abs. 1 Nr. 1 VVG verlangt, dass der erteilte Rat und die Begründung dafür in Papierform zu dokumentieren sind. In den Zeiten des allgegenwärtigen Internets muss das verblüffen. Aber Abhilfe schafft § 6 Abs. 2 Nr. 1 VVG, nach dem auch ein anderer „dauerhafter Datenträger“ als Papier zulässig ist, wenn das für das getätigte Geschäft angemessen ist und zusätzlich eine Wahlmöglichkeit des Versicherungsnehmers (VN) besteht und dieser sich dann tatsächlich für den dauerhaften Datenträger entscheidet. Was angemessen ist, bestimmt Abs. 3. Danach genügt, dass der Antragsteller eine eigene E-Mail-Adresse verwendet, denn dadurch wird unwiderleglich vermutet, dass der Versicherungsnehmer „nachweislich regelmäßig Internetzugang“ hat. Nach § 6 a Abs. 2 Nr. 2 VVG ist auch eine Webseite zulässig, aber nur wenn ein personalisierter Zugang geschaffen wurde oder die Webseite „für das Geschäft angemessen“ ist (Nutzung einer E-Mail-Adresse). Ferner muss der Versicherungsnehmer zustimmen, die Adresse der Webseite und der „dortigen Fundstelle der Auskünfte“ (was immer das sein soll) müssen elektronisch mitgeteilt werden und es muss gewährleistet sein, dass die Auskünfte so lange verfügbar bleiben, wie sie „für den VN vernünftigerweise abrufbar sein müssen“. Da auch die Vernunft ein höchst unbestimmter Rechtsbegriff ist, werden das im Zweifel die Gerichte in Einzelfallentscheidungen festzulegen haben.

Wichtig erscheint, dass diese neuen Formerfordernisse gemäß § 6 Abs. 2 VVG nur für die Beratung und ihre Begründung gelten, nicht für die vorvertraglichen Informationen, die der Versicherer nach § 7 VVG in Verbindung mit der Verordnung über Informationspflichten (InfoV) schuldet. Leider aber gibt es dort einen Rückverweis auf § 6 a, wonach die Begrenzung in § 6 Abs. 2 VVG ziemlich unsinnig erscheint.

Rätsel wirft der neue § 6 a Abs. 4 VVG auf. Nach einer telefonischen Kontaktaufnahme sind die Auskünfte nach § 6 a Abs. 1 und 2 VVG „unmittelbar nach Abschluss des Vertrages“ zu erteilen. Selbst wenn sich der Versicherungsnehmer ausdrücklich für die Information auf einem „dauerhaften Datenträger“ entschieden hat, sind „die Auskünfte (…) gem. Abs. 1 oder Abs. 2“ zu erteilen. Der Bezug auf Abs. 1 (Papier) macht aber keinen Sinn, wenn der Kunde sich für Abs. 2 (Datenträger) entscheidet.

Auch die Neuregelung in § 6 Abs. 3 und Abs. 6 VVG ist bedeutend: nach wie vor besteht keine Beratungspflicht bei Großrisiken oder der Einschaltung von Maklern. Hier ist allerdings der Fernabsatz gestrichen worden (mit der Folge, dass auch der Online-Vermittler in vollem Umfange beratungspflichtig ist), wobei allerdings in § 6 Abs. 3 VVG die Möglichkeit geschaffen wurde, im Fernabsatz (also auch beim Online-Abschluss) einen Verzicht auf die Beratungspflichten zu erklären.

Steckt hier also schon der Teufel im Detail, wird das bei der vorvertraglichen Informationserteilung nicht besser. Zunächst beruhigendes: Der neue § 4 VVG-InfoV sieht jedenfalls im Entwurf vor, dass die Informationen nach der Anleger-Informationsverordnung PRIIPs (Packaged Retail und Insurance-based Investment Products) sich nicht mit dem neuen Produktinformationsblatt überschneiden sollen.

Aber der Gesetzgeber hat in § 7 a bis d VVG einige vertrackte Regelungen geschaffen, die ebenfalls bedeutende Änderungen bereithalten: In Bezug auf die Restschuldversicherung regelt etwa § 7 a Abs. 5 VVG, dass eine Woche nach der Vertragserklärung durch den Versicherungsnehmer ein erneuter Hinweis auf dessen Widerrufsrecht in Textform zu erteilen ist. Zwar ist die Textform gemäß § 126b BGB gleichwertig mit einem „dauerhaften Datenträger“, aber hier ist ja noch offen, wie der Zugangsnachweis funktioniert. Ob E-Mailkorrespondenz für eine Empfangsbestätigung genügt oder ein Download zwangsweise technisch vorgesehen sein muss oder eine Zwangslektüre mit Lesebestätigung reicht, wird sich erst noch zeigen müssen. Der Zugangsnachweis aber hat besondere Bedeutung, denn die Widerrufsfrist beginnt erst mit Zugang dieses neuen Hinweises eine Woche nach der Vertragserklärung (am besten wird man das wohl mit der Vertragsannahme verbinden). Wie Erst- und Folgehinweis zueinanderstehen, ist unklar. Vor allem passt die bislang für die Erstbelehrung gesetzlich vorgegebene Widerrufsbelehrung gemäß § 8 Abs. 5 S.1 VVG sicher nicht zu dem Folgehinweis.

Informationen bei Anlageprodukten, die vor Abschluss des Versicherungsvertrages zu erteilen sind, sind offenbar formfrei. Anders ist § 7 b VVG nicht zu verstehen. Gleiches gilt für § 7 c Abs. 4 VVG, der die Dokumentation der Risikotoleranz bei Anlageprodukten und deren Aufzeichnung regelt.

Demgegenüber sagt § 7 c Abs. 5 Satz 3 VVG, dass Berichte über Dienstleistungen der Anlageverantwortlichen auf einem „dauerhaften Datenträger“ zu erteilen sind, und zwar „vor Vertragsabschluss“. § 7 c Abs. 5 Satz 4 VVG verweist zurück auf § 6 a VVG und ist deswegen trügerisch, weil zwar hier eine Rückverweisung erfolgt (also dauerhafte Datenträger erlaubt sind), zugleich aber Webseiten nach § 6 a Abs. 2 Nr. 2 VVG für dieses Segment ausdrücklich ausgeschlossen werden.

Auch die neuen Regelungen zur Gruppenversicherung haben es in sich. § 7 d VVG bestimmt, dass die Beratungs- und Informationspflichten, die gemäß den §§ 6, 7 VVG an sich den Versicherer treffen, jetzt dem Versicherungsnehmer obliegen. Insoweit konsequent sollen dann die versicherten Personen die gleichen Rechte haben wie bisher die Versicherungsnehmer. Und auch hier hat der Gesetzgeber eine zweite Widerrufsbelehrung eine Woche nach Abgabe der Vertragserklärung in das Gesetz geschrieben. Insoweit gilt einerseits das oben zur Restschuld Gesagte, aber zusätzlich stellt sich die Frage, wer wem wann welche Informationen zu erteilen hat und wer wem gegenüber den etwaigen Widerruf auszusprechen hat. Auch hier wird noch viel zu klären sein.

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