Kein Geld für Terroristen!


Fromme-NL, 09.07.2018

Kürzlich wurde über einen Hackerangriff auf den südafrikanischen Versicherer Liberty berichtet. Das Unternehmen sei erpresst worden, habe aber keine Zahlungen geleistet. Der Fall wirft die interessante Frage auf, was eigentlich zu geschehen hat, wenn Cybercrime auf Terrorismus trifft. Kontakt mit Terroristen ist in jeder Hinsicht gefährlich. Nicht nur unmittelbar, sondern auch mittelbar, nämlich bei einer strafbaren Finanzierung des Terrors. Die internationale Staatengemeinschaft ist seit langem entschlossen, dem Terrorismus den wirtschaftlichen Boden zu entziehen und hat weltweite Sanktionen eingeführt. Bisher standen hier Entführungen mit anschließenden Lösegelderpressungen im Fokus; es liegt aber auf der Hand, dass der Terrorismus auch zu Cyberattacken greifen wird, um sich zu finanzieren. Ungeachtet der damit verbundenen Probleme in der Kombination von Cyber- und Terrordeckungen, die ja Eigenschäden der Betroffenen decken sollen, stellt sich die Frage, wie mit terroristischen Hackerangriffen umzugehen sein wird. Auch wenn die Vereinten Nationen keine Gesetzgebungskompetenz haben, werden ihre Sanktionen von der EU getragen und wirken aufgrund ihrer Kompetenzen unmittelbar in die nationale Versicherungswirtschaft hinein. Das (supra)nationale Bestreben, derartige Liquiditätsbeschaffung nachhaltig zu schließen, stellt auch Cyberversicherer vor die Notwendigkeit einer sorgfältigen Prüfung sowohl ihrer Eintrittspflicht als auch von Sanktionen einer etwaigen Terrorfinanzierung.

Seit dem BaFin-Rundschreiben 3/1998 wird der Betrieb von Lösegeldversicherungen nicht mehr per se als sittenwidrig eingestuft. Auch Cyberversicherer können also unter den Voraussetzungen, die die BaFin in dem Rundschreiben definiert und mit Veröffentlichungen in BaFin-Journal 03/08 und 06/14 modifiziert hat, nach Hackerangriffen und entsprechenden Forderungen prinzipiell Zahlungen leisten. Diese Öffnung legitimiert aber nicht zum Verstoß gegen Verbotsgesetze. Dementsprechend werden Versicherer eine Sanktionsklausel implementieren müssen, nach der die zu gewährende Deckung nicht gegen Gesetze verstoßen darf. Das begrenzt zwar den Versicherungsschutz, aber ohne eine solche Sanktionsklausel läuft der Versicherungsnehmer Gefahr, dass er vor dem Hintergrund der Sittenwidrigkeitsregelung in Paragraf 134 Bürgerliches Gesetzbuch nicht verlässlich abgesichert ist. Demnach ist ein Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, nichtig.

Zuletzt hat die UNO am 12. Februar 2015 in Ziffer 19 ihrer Resolution 2199 (2015) klargestellt, dass mit der Resolution 2161 (2014) ein ausdrückliches Verbot der Bezahlung von Lösegeld an Terroristen ausgesprochen wurde. Das ist ein klares politisches Signal, das aber keineswegs neu ist, sondern nur ausdrückt, was schon lange der politische Kurs auch des europäischen und deutschen Gesetzgebers ist. Gegen die terroristischen Vereinigungen der Taliban, der Al-Qaida und des IS greifen bereits seit geraumer Zeit EU-Sanktionen in der Form einer unmittelbar im gesamten EU-Gebiet anwendbaren EU-Verordnung. Diese Verordnungen – beispielsweise Nr. 2580/2001 (EG), 881/2002 (EG) und 753/2011 (EU) – verwenden den allgemeinen Begriff „Gelder“ und verbinden damit Verbote, die den im Anhang der Verordnung aufgeführten und regelmäßig aktualisierten Personen und Vereinigungen den Zugang zu Finanzmitteln verschließen sollen. Der Begriff „Gelder“ ist definiert als finanzielle Vermögenswerte oder wirtschaftliche Vorteile jeder Art. Dazu gehören vor allem Bargeld, Geldanweisungen und jede andere Art eines Zahlungsmittels. Sie dürfen weder unmittelbar noch mittelbar Terroristen zur Verfügung gestellt werden. Unter diese Definition fallen auch Versicherungsleistungen, sowohl in der Form einer Freistellung (direkte Zahlung) als auch im Rahmen einer Erstattung an den Versicherungsnehmer (indirekte Zahlung).

Die Sanktionen sind nicht als bloßes Handlungsgebot formuliert, sondern sind in Deutschland nach den EU-Verordnungen in Verbindung mit den Straf- und Bußgeldvorschriften des Außenwirtschaftsgesetzes (AWG) als Verbote strafbewehrt. Unter Strafe gestellt ist sowohl die vorsätzliche Missachtung (§ 18 AWG), als auch ein fahrlässiger Verstoß, der einer Zahlung zumindest den Charakter einer Ordnungswidrigkeit verleiht (§ 19 AWG). Darüber hinaus findet im Rahmen der Terrorismusbekämpfung in Deutschland der 2002 eingefügte Paragraf 129b Strafgesetzbuch Anwendung. Darin enthalten ist eine abstrakte Definition der terroristischen Vereinigung, ohne dass es auf die Listen im Anhang der EU-Verordnungen ankäme. Bei einer Zahlung, mit der im Ergebnis terroristische Aktivitäten finanziert werden, muss der objektive Tatbestand einer Unterstützungshandlung erfüllt sein und subjektiv kommen nur vorsätzliche Taten, also Zahlungen in Kenntnis der Absichten des Empfängers, in Frage.

Bei unklarer Sachlage muss zwischen Eventualvorsatz und bewusster Fahrlässigkeit abgegrenzt werden. Im Falle eines Eventualvorsatzes läuft der Versicherer Gefahr, eine Straftat zu begehen, wenn eine Zahlung an gelistete Personen/Organisationen denkbar oder nicht ganz fernliegend ist. Um nicht fahrlässig (und schon gar nicht vorsätzlich) zu handeln, wird die Ermittlung der Tatsachen des gemeldeten Versicherungsfalles sehr sogfältig zu geschehen haben. Wenn feststeht, dass die Erpressung kein bloß krimineller Akt ist, sondern einen terroristischen Hintergrund hat, ist eine direkte Zahlung ebenso ausgeschlossen wie die Erstattung eines vorfinanzierten Lösegeldes. Bleibt unklar, ob es einen terroristischen Hintergrund gibt, muss recherchiert werden, was an beweisbarem Sachverhalt vorliegt. Keinesfalls kann man sich – wie dies gelegentlich im Zusammenhang mit herkömmlichen Entführungsversicherungen empfohlen wird – naheliegenden Erkenntnissen verschließen, um tatsächlich nicht vorhandene, sondern nur suggerierte „Loopholes“ im deutschen Recht auszunutzen. Jedenfalls dann nicht, wenn man sich der eigenen Straflosigkeit sicher sein will.

Hier ist die konkrete Formulierung des Versicherungsversprechens von Bedeutung: Wird die Vermeidung von Gesetzesverstößen als primäres Leistungsversprechen definiert, dann obliegt es der Beweislast des Versicherungsnehmers, einen terroristischen Hintergrund auszuschließen. Es erscheint mehr als fraglich, ob man den Gesetzesverstoß durch die Formulierung eines Ausschlusses und eine damit verbundene Beweislastumkehr zu Lasten des Versicherers vermeiden kann. Der dann dem Versicherer obliegende und so gut wie nie zu führende Nachweis, dass positiv kein terroristischer Hintergrund vorliegt, könnte durchaus als Gesetzesumgehung zu werten sein. Diesem „Schlupfloch“ sollte man sich nur mit größter Vorsicht nähern.

Der britische Counter Terrorism and Security Act 2015 verankert seit Anfang 2015 ausdrücklich ein Verbot, Lösegeldzahlungen zu leisten oder zu erstatten, wenn Empfänger ein Terrorist oder eine terroristische Vereinigung ist. Durch dieses Gesetz formuliert ein neu eingefügter Paragraf 17 a Terrorism Act 2000 ein klares und unabdingbares Verbot, dessen Anwendungsbereich nicht erst dann eröffnet ist, wenn der Versicherer positive Kenntnis von der Qualifizierung des Empfängers als Terrorist/terroristische Vereinigung hat. Das Verbot gilt bereits, wenn ein hinreichender Verdacht besteht, die Versicherungsleistung werde verwendet, um einer terroristischen Forderung nachzukommen.

Die inländischen Sanktionen kennen ein so harsches Verbot wie § 17 a Terrorism Act 2000 jedenfalls insoweit nicht, als bereits der hinreichende Tatverdacht genügt, die Sanktion auszulösen. Hier wird man das über die zuvor beschriebene Beweislastverteilung regeln müssen: der Versicherungsnehmer sollte beweisbelastet sein und muss alle Parameter des verwirklichten Versicherungsversprechens nachweisen, mithin auch die Gesetzeskonformität der Zahlung. Welche Beweismaßstäbe hier anzuwenden sind, wird die Rechtsprechung zu entscheiden haben. Reicht schon ein hinreichender Verdacht auf Terrorismus, um die Versicherungsleistung zu versagen? Oder muss es sich um einen überwiegenden Tatverdacht handeln? Vielleicht hilft ja das berühmte Diktum des Bundesgerichtshofs: Vernünftige Zweifel müssen nicht mit naturwissenschaftlicher Sicherheit ausgeschlossen werden, aber mit einem praktischen Maß an Gewissheit zum Verstummen gebracht werden.

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