All inclusive


All inclusive

Schon George Orwell hat in seinem Roman „Nineteen Eighty-four“ aus dem Jahr 1949 vor dem Sprachdiktat von Diktaturen gewarnt. In englischen Universitäten des Vereinigten Königreichs ist aus dieser Utopie Wirklichkeit geworden. Nach einer Warnung der Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Hull University wirkt sich eine „nicht-inklusive Sprache“ negativ auf die Zensuren aus. Schlechte Noten, wenn die Studierenden (!) das erforderliche Maß an Sprachsensitiviät vermissen lassen. Dabei geht es auch um „he, him“ oder „his“ (tunlichst zu ersetzen durch „he or she“, „she/he“ oder „they“), aber eher mehr um die Vermeidung von solchen Begriffen wie „Gentlemen’s Agreement“, zu ersetzen durch „unwritten agreement“ oder „agreement based on trust“. P.G. Wodehouse, der große Humorist, der 1929 das Gentlemen’s Agreement in den englischen Sprachschatz einführte, hätte große Freude an diesem Diskurs. Die Cardiff Metropolitan University führt seit längerem einen Katalog, mit dem das verunsicherte Publikum prüfen kann, ob es auf der Höhe der „inklusiven Sprache“ agiert und „geschlechtsstereotypische Begriffe“ vermeidet: statt „mankind“ jetzt „humanity“ und statt „breast feeding“ nunmehr „chest feeding“, um die Gefühle schwangerer Transgender-Männer nicht zu verletzen. Natürlich ist das nicht völlig unproblematisch. In „Humanity“ steckt ja auch ein „man“, wie übrigens auch in „Man“chester oder in der Isle of Man. Da ist ein Begriff wie „Herstory“ anstelle von „History“ für Geschichtsstudierende fast schon ein Selbstläufer. Und wir in Deutschland? „Mann über Bord“ geht gar nicht (mehr).

Woher kommt diese Raserei? Kluge Beobachter meinen, mit dem Zusammenbruch des Ostblocks sei auch die Utopie eines nichtrepressiven Sozialismus verschwunden. Aber an die Stelle des marxistisch-leninistischen Theorems „Alle Menschen sind gleich“ haben die Aktivisten kurzerhand das hohe Ziel von Partizipation und Inklusion gesetzt, Inklusion als gesamtgesellschaftlicher Begriff wohlgemerkt. Bloße Integration ist schon lange over, eine Übung, die eine Unterwerfung unter die bestehenden Herr(!)schaftsverhältnisse erfordert, während Inklusion die Abschaffung von allem bedeutet, was exkludiert. Mithin von allem, was Unterschiede macht! Schon Jean Jacques Rousseau wollte seine ahnungslosen Zeitgenossen „zu ihrem Glück zwingen“. Und was Glück ist, bestimmt demnächst die Diversitybeauftragte der städtischen Kindergärten in Wuppertal. Wir kennen das ja schon: Kein Mohrenkopf mehr, sondern Schaumkuss, kein Zigeunerschnitzel (Schnitzel Budapester Art) und St. Martin ist jetzt ein „Lichterfest“. Und die Sesamstraße hat eine autistische Puppe namens Julia, nachdem die Südafrikanische Version schon einen HIV-positiven Kami und die israelisch-palästinensische Koproduktion ein Schwein namens Kipi kennt, das mit dem Hahn Karim spielt. Und eine Puppe mit Hijab? Gibt es auch, nichts davon ist erfunden! Noch läuft das gesellschaftlich subkutan, im Kindergarten, in der Schule, in der Kirche, im paritätischen Wohlfahrtsverband. Aber wenn wir uns erst mal alle daran gewöhnt haben … .

Erst kürzlich hat die BBC die Begriffe BC (before Christ) und AD (anno domini) abgeschafft und den Beginn der modernen Zeitmessung mit CE (common era) notifiziert, man wolle nichtchristliche Mitbürger nicht ausgrenzen (dabei aber blöderweise übersehen, dass der Beginn immer noch mit der Geburt Christi verbunden bleibt). Wir könnten dem folgen und unsere auf heidnischen Vorbildern beruhenden Wochentage umbenennen. Sonn- und Montag (von „Sunna“ (Sonne) und „Mani“ (Mond) abgeleitet) könnten wohl bleiben, weil universell nicht abschaffbar, aber was machen wir mit dem Dienstag (von Mars Thingsus übrig geblieben) oder dem Donnerstag (von Thor, dem Donnergott)? Der Mittwoch erscheint wieder unproblematisch (auch wenn bei sieben Wochentagen die Mitte nur schwer zu lokalisieren ist).

Und selbst die Versicherungswirtschaft hat zu kämpfen. Eine Versicherung nur für Beamte? Da müssen wir nach einem Namen suchen, der auch die Beamtinnen inkludiert. Vielleicht „das BeamtX“; damit würde auch dem jüngsten Postulat des BVerfG genügt, wonach das „dritte“ Geschlecht – Inter – zu Grundrechtsehren gelangte. Und nur Eisenbahner ginge auch nicht, es müsste schon Eisenbahner_innen-Versicherung heißen. Da hilft das neutrale „Eisenbahnversicherung“ sehr. Und die Versicherungsbedingungen haben sich nicht nur einer Sprache zu bedienen, die alle verstehen (auch wenn es dann doch keine(r) liest), sondern hat auch Gender- und Diversityaspekte zu beachten. Da liest man dann schon mal über eine von einer „entzweigendernden Prof.ecs“ von der Humboldt Universität erfundene „Überlebensversicherung für meine Freundxs und mich“. Ob ein ordentliches Diversity Management vor solchem Hintergrund zu erhöhter Produktion und innovativen Konzepten führt, wie viele „moderne“ Manager hoffen?  mann_frau_x muss nur fest dran glauben.

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